Ein Märchen

Es war einmal ein König, der lebte in einem weit entfernten wundschönen Land. Von seinem prächtigen Schloss aus herrschte er weise und gütig. Der König hatte eine Tochter und als sie 21 Jahre alt wurde, beschloss er, dass es nun an der Zeit für sie war, zu heiraten. Da der König seine Tochter aber sehr liebte, durfte sie sich ihren Gemahl selbst aussuchen. So wurde im Schloss ein riesiges Fest gefeiert und die Prinzessin gab bekannt, dass sie den Mann heiraten werde, der ihr das beste Geschenk überreiche. Sofort begannen alle Edelmänner ihre kostbarsten Schätze zusammenzutragen. Doch über das viele Gold rümpfte die Prinzessin lediglich die Nase. Gold habe sie selbst genug. Und außerdem spiegle keines dieser Geschenke den Charakter oder das Talent eines dieser Männer wider.

Betrübt zogen die Adeligen von dannen. Von der Aussage der Prinzessin ermutigt, trauten sich nun jedoch auch nicht adelige Männer ihre Geschenke vorzutragen. Als erstes sprach der Schneider vor. Er habe nicht gewusst, dass auch einfache Männer wie er der Prinzessin ihre Aufwartung machen dürfen, darum habe er kein Geschenk dabei. Sollte sie sich jedoch für ihn entscheiden, würde er ihr das schönste Kleid, das es je gegeben hat, schneidern. Kleider habe ich viele, sagte die Prinzessin. Worin unterscheidet sich dieses Kleid von den anderen? Was ist neu an ihm? Ich werde das Kleid in Eurer Lieblingsfarbe halten und es mit Motiven, die Euch gefallen, besticken. Also wird das Kleid nur für mich das schönste sein, sagte die Prinzessin. Und sie schickte ihn fort.

Als nächstes trat der Goldschmied hervor. Ich werde Euch die schönste aller Halsketten schmieden. Und wieder fragte die Prinzessin: Ich habe viele Halsketten. Was unterscheidet diese von all den anderen? Was ist neu an ihr? Der Schmied antwortete: Sie wird mit der Sonne und Eurem güldenen Haar um die Wette leuchten und ihre Steine werden im blau Eurer Augen funkeln. Und wieder antwortete die Prinzessin: Die Kette wäre also nur für mich die schönste. Und sie schickte ihn fort.

Als drittes trat der Zimmermann vor und sagte: Ich baue Euch eine neue Kirche. Die Prinzessin antwortete wieder: Wir haben bereits eine Kirche. Was unterscheidet diese von der anderen? Was ist neu an ihr? Der Zimmermann antwortete: Diese neue Kirche ist nicht aus Holz oder Stein, sondern aus Fleisch und Blut. Wenn Ihr mich heiratet, bauen wir sie gemeinsam auf, indem wir eine gute Königin und ein guter König werden. Indem wir nicht über unser Volk herrschen, sondern ihm dienen. Wir bauen eine Kirche, die nicht nur für uns selbst ist, sondern für alle Menschen, denn unserer Kirche besteht auch aus allen Menschen. Und indem wir mit all diesen Menschen unser Leben teilen und feiern, indem wir all diesen Menschen unser Leben widmen, widmen wir unsere Liebe und unser Leben Gott. Und das macht uns alle gemeinsam zur neuen Kirche Gottes. Die Prinzessin reichte dem Zimmermann die Hand und ohne ein Wort zu sagen, hatte der Bau der neuen Kirche begonnen.

Clara Schönfelder

Bild von Leonhard Niederwimmer auf Pixabay

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